Material zum Film ãDer Tanz mit dem TodÒ von Eckhard Blach

 

Inhalt:

Die Kulturgeschichte zum LŸbecker Totentanz von Bernt Notke bis Horst Janssen

 

Der Totentanz in der LŸbecker Marienkirche: der gotische Maler und Bildhauer Bernt Notke malte ihn in den Zeiten der Pest. Von dem GemŠlde blieb ein Fragment in Tallinn (Estn. Rep.) und die lange Geschichte kŸnstlerischer Auseinandersetzungen bis heute. Verschiedene TotentŠnze von Hugo Distler, Walter Kraft, Hans Henny Jahnn, Alfred Mahlau und zuletzt Horst Janssen«s LŸbecker Neujahrsrede reflektieren individuelle Lebensproblematik, die historische Situation und das VerhŠltnis der Menschen zum Tod.

 

ãKontrastreiches Filmmaterial in Schwarz oder Wei§, dunkle Farbstimmungen in den Colorteilen, verleihen dem Film zusammen mit der Musik, eine intensive emotionale Spannung.Ò

(Norddeutscher Rundfunk, Horst Goetzmann, 16.4.1988)

 

 

†ber den Film

Bei diesem Film handelt es ich zunŠchst einmal um einen kunsthistorischen Film, der das Motiv des Totentanzes in der LŸbecker Rezeption Ÿber Jahrhunderte zeigt. Der Bezug zur Bombardierung LŸbecks (Palmarum) ist bedingt.

Man kšnnte sagen, der Krieg sei eine Art Wirklichkeit und der Totentanz eine mšgliche kŸnstlerische Antwort. Das ist auch richtig, weil der Totentanz immer aufblŸhte, wenn es eine Pestwelle oder einen Krieg gab. Bereits hier ist aber die historische Situation entscheidend: wenn da zuhauf gestorben wurde, was ist es denn, was ich malen oder auffŸhren kann? Den Tod, das Sterben oder gar den Totentanz? Der Totentanz war authentisch, als er entstand, und ist es nicht mehr, wenn Mahlau ihn aufs Glas malte. Er ist zu einer Art Medium geworden fŸr die bestimmte geschichtliche und individuelle Situation des KŸnstler selbst. So wie der Totentanz an AuthenzitŠt verlor, verlor auch das PhŠnomen des Todes an AuthenzitŠt. Florentine Naylor, die als Abiturientin, noch unter dem Namen Tita Jancke die Bombardierung erlebte, beschrieb einfŸhlsam jene Nacht: ãEs ist nur allzu verstŠndlich, da§ kein Mensch das Geschehen dieser Nacht erfassen konnte.ÉJeder fŸhlte, da§ Macht und Entscheidung Ÿber Leben und Tod nicht mehr in unseren HŠnden lagen, und so verschieden die Charaktere all der in Not und Angst zusammengedrŠngten Menschen waren, so verschieden waren auch ihre Reaktionen. Viele wurden von dem Gedanken an ihr brennendes Hab und Gut beherrscht und versuchten, sich in hilfloser Wut und Verzweiflung darŸber klar zu werden, was das Schicksal ihnen antat, wie arm sie wurden.É Manchen aber stand die Todesangst deutlich lesbar im Gesicht.É Das Verhalten der meisten Menschen schien nur von Schrecken und Ratlosigkeit, NervositŠt und flehender, zitternder Lebenshoffnung geprŠgt.ÉMir selbst stand in jenen Stunden nichts ferner als der Gedanke an den Tod. Ich war innerlich erstarrt und legte mir Ÿberhaupt keine Rechenschaft Ÿber das Ausma§ der Gefahr ab.Ò

Diese ehrliche Beschreibung stellt klar, da§ Krieg und Totentanz nicht einfach zusammengehšren und da§ eine VerknŸpfung nur retrospektiv mšglich ist. Wenn KŸnstler aus freien StŸcken irgendwie reagieren wollten, und die vorgegebene Ausdrucksform âTotentanzÔ wŠhlten, war die individuelle Situation des KŸnstlers viel entscheidender als der reale Auslšser. Wenn dann drei Jahre spŠter, in Hiroshima 1945, nicht einmal mehr die Zeit gegeben war, Ÿberhaupt an den Tod zu denken, und im Moment des Todes nur der menschliche Schatten an die Mauern projeziert wurde, wŠhrend der Kšrper schon gar nicht mehr da war, dann ist die Ausdrucksform des Totentanzes schon anachronistisch, da sie doch den individuellen Dialog mit dem Tod verarbeitet. Wenn Florentine Naylors Beschreibung aus der heutigen Zeit stammen wŸrde, mŸ§te man sich noch die Reporter vorstellen, die der Florentine die Sicht auf die Menschen verdecken, mŸ§te man bedenken, da§ gleichzeitig die Fernsehzuschauer der Welt dabei sind, da§ Kameras zusammen mit den Sprengkšpfen in den TŸrmen der Marienkirche explodieren und da§ Florentine am nŠchsten Tag alles noch einmal auf dem Bildschrim sieht, nur nicht das, was sie 1942 erlebt hat.

Tod und Totentanz verloren an AuthenzitŠt und wurden anachronistisch und lšsen sich in dem Zugriff der Medien auf. Mir begegnete jetzt das Šlteste Bild einer Druckerpresse von 1499, Skelette im Kampf mit den Druckern: ein Totentanz, der die Macht der Medien bildnerisch einlŠutete. Darum versucht dieser Film, einmal kunsthistorisch den Totentanz vorzufŸhren, dabei die Frage zu stellen, was die KŸnstler eigentlich bewog, sich des Mediums Totentanz anzunehmen, und dann auch unterschwellig die Kunst und das Medium Film zu hinterfragen und anzuzweifeln. Nicht umsonst brennt am Ende des Films nicht die reale Stadt, das Dokument hŠtte mir vorgelegen, sondern die Stadt als Modell, als Kunst.

Eckhard Blach, 1992

 

 

Informationen und Quellenhinweise zum Film ãDer Tanz mit dem TodÒ

 

OuvertŸre

Musik: Walter Kraft, Totentanztoccata; Zeichnung: Johannes Thoemmes, aus dem Buch ãTabulae LubicensesÒ, 1981

Titel

Schrift: Alfred Mahlau, ca. 1926, mit Erlaubnis der Fa. Niederegger; Satz: Birgit Rohde und E. Blach; UnterstŸtzung aller Satz- und Druckarbeiten durch Types & Lines, LŸbeck, und JŸrgen Lehn, Werbeagentur; Farbtafel: die Grundfarben des Fernsehens

Pest

Zeichnung der Revaler Speicher von Asmus Jessen, 1940

Bernt Notke

Totentanz, 1466, in der Nicolaikirche Tallinn mit UnterstŸtzung des Filmstudio Tallinnfilm aufgenommen; Musik aus Walter Krafts Totentanz, Urauff. 1954

Totentanzkapelle

Fotos vom Museum fŸr Kunst und Kulturgeschichte LŸbeck (im Folg.: Museum)

Anton Wortmann

Fotos: Wilhelm Castelli; Musik: Hugo Distlers Totentanz, AuffŸhrung LŸbeck 1984, Text: Johannes Klšcking

Der berŸhmte Tod

Das ist der berŸhmte Tod aus LŸbeck, aus dem GŠstebuch der LŸbecker Schiffergesellschaft, fotografiert von Stephan Schlippe; Zeichnung der Kapelle: Asmus Jessen, Jahrbuch Wagen 1925; Plakat der 700 Jahrfeier LŸbecks: Alfred Mahlau, 1926, Museum; Anordnungszeichnung des Umzugs: Alfred Mahlau, Leporello 1926; Filmdokument: Deulig Woche, 1926; Zeichnung der Kapelle 1934: Asmus Jessen

Bruno Grusnick Ÿber Hugo Distler

Kamera: Jan Hammerich; Musik: Distlers Totentanz; Aufnahmen aus dem Hugo Distler-Archiv, LŸbeck

Propheten

Zeichnung ãBrennende MarienkircheÒ von Hans Peters, 1938, Jahrbuch Wagen 1942; Druckphasen eines LŸbeck-Plakats von Alfred Mahlau, 1934, Museum, Ton: Distler und Klšcking, Totentanz, Sprecher: GŸnter Hutsch; Zeichnung ãVergaste StadtÒ von Hans Peters; Zeichnung der Sonnenwendfeier, 1935, Museum; AuffŸhrung: ãDes Todes und des Leben ReigenÒ von W. Schulz - Fotos: Perlberg

Krieg

Fotos: AuffŸhrung von Krafts Totentanz, ZŸrich 1973; Zeichnungen von Leopold Thieme und Curt Stoermer, 1942, Museum; Musik: Walter Krafts Totentanz, 1954; Zeichnung ãUnzerstšrbares LŸbeckÒ von Asmus Jessen, 1944, Museum; BŸste von Walter Kraft

Hans Henny Jahnn: Neuer LŸbecker Totentanz

Sprecher des Berichterstatters: Dietrich Neumann; der feiste Tod: GŸnter Hutsch; Standfotos und Regieassistenz: Stephan Schlippe; UnterstŸtzung: Ratskeller, LŸbeck

Eliza Hansen Ÿber Alfred Mahlau

Fotos: Stephan Schlippe; Selbstportraits von Mahlau, 1919-23, Museum; Filmdokumente aus der ãLakuschu-RevueÒ, Regie: Alfred Mahlau, ca. 1957; Glasfenster von Mahlau und dem Glaser Wilhelm Berkentien, 1953-56, Kamera: Erasmus Gerlach, Ton: Stimmen der Totentanzorgel, 1986; Mahlau-Portrait von Horst Janssen, 1968, Museum

Der mediale Tod

Marionettentanz: Kirsten Esch; Marionette: Guillermo SteinbrŸggen

Horst Janssen

Druck des Buches ãDer tanzende TodÒ von Joachim Fest,  Aquarelle von Horst Janssen, Lucifer-Verlag des Kunsthauses LŸbeck, 1986; Druck: Graphische WerkstŠtten; Rede am 1.1.1986 ãHommage ˆ TannewetzelÒ, gefilmt mit Genehmigung des Kunsthauses LŸbeck, veršffentlicht Hamburg, LŸbeck, 1987; Kamera: Jan Hammerich und Eckhard Blach

Die Kunst brennt

Das brennende ãLŸbeck in der SchachtelÒ, von Alfred Mahlau, 1930, Vertrieb: Dt. Verband Frau und Kultur, LŸbeck; Farbkreis: die Grundfarben der Malerei

 

Besondere UnterstŸtzung

erhielt ich von Claudia Beelitz, hinsichtlich des Filmkommentares (ãDer LŸbecker Totentanz - Von der Mahnung zum DenkmalÒ, LŸbeck 1986),

von Dr. Jens Howoldt (Museum fŸr Kunst und Kulturgeschichte, LŸbeck), hinsichtlich der Fotos und Literatur, durch Eva-Maria Kraft, die mir ihre Tonaufnahmen Ÿberlie§ und mir Interviews gab und durch Interviews Ÿber Alfred Mahlau mit Maria Mahlau und Abram Enns.

Mein allgemeiner Dank gilt Erika Buchholtz, Frank-Thomas Gaulin, Michael Haller und Stephan Schlippe.

 

                                      AuffŸhrungen "Der Tanz mit dem Tod"

 

   16.-22.4.1987         Lichtspiele Hoffnung, LŸbeck, UrauffŸhrung, 10 Vorstellungen

        27.11.1987         Friedberger Filmtage Tage des internationalen religišsen Films

            1.2.1988         Kommunales Kino in der Pumpe, Kiel

25. u. 26.2.1988        Metropolis, Hamburg

          27.5.1988         La Rochelle, Frankreich, "Quinzaine Rochelaise des Pays de Langue Allemande"

            6.9.1988         9. "Homburger GesprŠch", Bad Homburg, Thema: Bernt Notke

        20.10.1988         Cinema Quadrat, Mannheim   

          4.11.1988         Nordische Filmtage LŸbeck

  28.1.-3.2.1989         Lichtspiele Hoffnung, LŸbeck, 7 Vorstellungen, "Neue Fassung"

     9.-16.7.1989         Tallinn, Deutsche Filmwoche im Rahmen der Kieler Tage

         MŠrz 1990         Seminar fŸr Anglistik, Dr. Fink, UniversitŠt Hamburg

17.-19.12.1990         Lichtspiele Hoffnung, LŸbeck, Thema: "Leben bis zuletzt"

          31.8.1991         Husumer Filmtage, "Werkschau Eckhard Blach"

          17.1.1992         UniversitŠt Hamburg

          24.3.1992         "GemeinnŸtzige", LŸbeck, Thema: Palmarum 1942 (Bombenangriff)

          29.7.1992         Altenhilfezentrum, LŸbeck

          1.10.1993         Kinohaus Tallinn, Kulturwochen der Bundesrepublik Deutschland in der Baltischen Region

          9.10.1993         TV-Gesellschaft Jantar, Kaliningrad, Ru§land; Kulturwochen der Bundesrepublik Deutschland in der Baltischen Region

          30.9.1994         Burgkloster LŸbeck, Ausstellung zum 100.Geburtstag Alfred Mahlaus